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Montag, 3. Juli 2023

Gegen die Christen

 

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Als Christenverfolgungen im Römischen Reich wird eine Reihe von Maßnahmen zur Unterdrückung des wachsenden Einflusses des Christentums im Römischen Reich bezeichnet. Sie vollzogen sich zunächst als spontane und lokal oder regional begrenzte, seit dem 3. Jahrhundert dann als kaiserlich angeordnete, gesamtstaatliche und systematische Maßnahmen, mit dem Ziel, die neue Religion in ihrem Wachstum aufzuhalten, sie bei der Integration in das römische Gesellschaftssystem zu hindern oder ihre Struktur dauerhaft zu zerschlagen.
Sie wandten sich gegen alle christlichen Gruppen, auch solche, die die Alte Kirche als Häresien ausgrenzte, etwa die Markioniten oder Gnostiker wie die alexandrinischen Karpokratianer. Sie endeten mit der Mailänder Vereinbarung von 313, spätestens mit der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion durch Theodosius I. (380–391). Mit dem Dreikaiseredikt von Theodosius I., Gratian und Valentinian II. wurde die nominelle Religionsfreiheit beendet und der Weg zur Staatsreligion frei gemacht (vgl. Reichskirche).

Aufgrund ihrer besonderen geschichtlichen Hintergründe unterscheiden sich die Christenverfolgungen im Römischen Reich von anderen Christenverfolgungen. Kontexte, Ursachen und Ausmaß sind umstritten. In jüngerer Zeit ist sogar bezweifelt worden, dass es tatsächlich blutige Verfolgungen in nennenswertem Umfang gegeben habe; vielmehr handle es sich dabei überwiegend um Übertreibungen und freie Erfindungen frühchristlicher Autoren.

Claudius (41–54)

38 war die jüdische Religion in Italien verboten worden, nachdem Juden wegen des 1. Gebots, zu dem auch das Bilderverbot gehört, gegen Kaiserbilder protestiert hatten. Im Zusammenhang mit diesem Anwachsen jüdischen Widerstands waren Kajaphas und Pilatus – die beiden Hauptverantwortlichen für Jesu Hinrichtung – kurz nacheinander abgesetzt worden.

49 erließ Kaiser Claudius ein Edikt, das Juden als Anhänger des „Chrestus“ aus Rom auswies (Sueton-Notiz). Falls „Chrestus“ sich auf Christus bezog, so hätte dort schon damals eine Christengemeinde existiert. Paulus traf einige ihrer vertriebenen Mitglieder um 50 in Korinth (Apg 18,1f EU). Dabei wird deutlich, dass die Regierung zwischen Juden und Christen anfangs keinen Unterschied sah und beide gleichermaßen verfolgte, wenn sie die öffentliche Ordnung störten. Aus Anlass eines Tumults in Alexandria drohte Claudius den dortigen Juden und so indirekt auch den Christen:

Wenn sie meinen Anordnungen nicht folgen, werde ich sie mit allen Mitteln verfolgen als Leute, die eine Seuche einschleppen, die sich über die ganze Welt verbreitet.

Die Ausbreitung von Fremdkulten, die sich nicht in ihre polytheistische Umgebung einpassen wollten und damit das Konfliktpotential in den Provinzen erhöhten, wurde also als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrgenommen. Das Vorgehen dagegen sollte mit den römischen Sitten zugleich staatliche Sicherheit gewährleisten.

Nero (54–68)

Henryk SiemiradzkiNeros lebende Fackeln. Tacitus berichtet, dass Christen ans Kreuz geschlagen und verbrannt wurden.
Henryk Siemiradzki: Eine christliche Dirke. Clemens von Rom berichtet, dass Christinnen an die Hörner von Stieren gefesselt den Märtyrertod erlitten.

Die von Nero 64 veranlasste Christenverfolgung folgte einem verheerenden Brand, der zehn von vierzehn, darunter vorwiegend die ärmeren, hauptsächlich aus Holz erbauten Stadtteile Roms traf. Tacitus zufolge kam danach das Gerücht auf, der Kaiser selbst habe die Brandstiftung befohlen. Nero beschuldigte hingegen seinerseits die verhasste religiöse Minderheit der „Chrestianer“, die Brandstiftung begangen zu haben. In diesem Zusammenhang erwähnt Tacitus „Christus“ und seine Kreuzigung durch Pilatus und fährt fort:

Man verhaftete zuerst Leute, die bekannten, dann auf ihre Anzeige hin eine riesige Menge. Sie wurden nicht gerade der Brandstiftung, wohl aber des allgemeinen Menschenhasses überführt. Die Todgeweihten benutzte man zum Schauspiel. Man steckte sie in Tierfelle und ließ sie von Hunden zerfleischen, man schlug sie ans Kreuz oder zündete sie an und ließ sie nach Einbruch der Dunkelheit als Fackeln brennen.

Nero stellte dafür seinen privaten Garten zur Verfügung, veranstaltete dort ein Zirkusspiel und feierte als Wagenlenker gekleidet mit dem Volk die Hinrichtung der Christen. Weder Nero noch den Christen oder anderen wurde jemals wirklich eine Brandstiftung nachgewiesen. Dennoch wurden manche der verurteilten Christen wie Brandstifter durch das Feuer hingerichtet, wie es nach römischem Recht üblich war.

So regte sich das Mitleid – obwohl sie schuldig waren und die härtesten Strafen verdienten –, weil sie nicht dem Allgemeinwohl, sondern der Grausamkeit eines Einzelnen zum Opfer fielen.

Tacitus lässt offen, was die Verhafteten bekannten: ihre Schuld am Brand oder ihren Glauben. In beiden Fällen wäre die Denunziation vieler „Mitschuldiger“ unlogisch, würde jedoch dem christlichen Gebot, nicht zu lügen, entsprechen. Es bleibt aber unklar, ob die verratenen Mittäter als weitere Angehörige des Christentums oder als Verantwortliche für den verheerenden Brand genannt wurden.

Vermutlich waren Christen den Römern schon in den Jahren zuvor als Verursacher von Konflikten mit den jüdischen Gemeinden aufgefallen. Dies spiegelt der Römerbrief, etwa indem Paulus den Adressaten einschärfte, alle Verfolger, gerade auch Staatsvertreter, zu segnen und sie mit zuvorkommender Nächstenliebe zu beschämen, um Böses mit Gutem zu überwinden, wider (Röm 12,9–21 EU):

Soviel an Euch liegt, haltet mit allen Menschen Frieden!

Auch Tacitus hegte trotz seiner Kritik an Nero keine Sympathie für sie und hätte sie in einem geordneten Verfahren ebenfalls für ihren „Hass gegen das Menschengeschlecht“ – also die Ablehnung römischer Sitten und Riten – geopfert, um die Sympathie im Volk für sie zu verringern. Dieser Vorwurf des odium generis hatte zuvor auch schon die Juden getroffen.

Nero genoss zuvor gerade im Osten des Reiches, wo das frühe Christentum seine Basis hatte, einen untadeligen Ruf als Schützer der Bürgerrechte: Es war üblich, ihn als obersten Schiedsrichter anzurufen. Lukas bestätigt, dass auch Paulus sich in seinem Prozess in Jerusalem auf den Kaiser berief (Apg 25,11 EU). Dieser konnte allerdings auch neues Recht und Straftatbestände setzen.

Die neronische Verfolgung 64 blieb ein Einzelfall und auf Rom begrenzt. Sie wurde erst später von den Kirchenvätern mit dem Kaiserkult in Verbindung gebracht. Dem 1. Clemensbrief nach sollen auch Petrus und Paulus im Verlauf von Neros „Zirkusspiel“ hingerichtet worden sein: Paulus als römischer Bürger durch das Schwert, Petrus als Ausländer durch Kreuzigung.

Domitian (81–96)

Nach dem jüdischen Aufstand in Palästina, den unter anderem ein Kaiserbild im Tempel ausgelöst hatte, wurden Juden reichsweit verstärkt von der Regierung beobachtet und von der römischen Oberschicht verachtet. Die Juden mussten fortan eine Sondersteuer (fiscus Iudaicus) zahlen. Dies verstärkte die Distanzierung vieler Christen gegenüber der Obrigkeit vom Judentum und die Spannungen zwischen beiden Religionen. Diese Situation könnte hinter den wenigen verstreuten Notizen zu Verfolgungen in Domitians Regierungszeit stehen.

Der römische Historiker Cassius Dio berichtet, im Jahr 95 habe der Kaiser neben vielen anderen, die in die jüdischen Sitten verirrt waren, auch seinen Vetter Titus Flavius Clemens wegen „Gottlosigkeit“ hinrichten lassen und dessen Frau verbannt. Es konnte dabei also um die Ablehnung der Staatsgötter gehen: Christen galten deswegen später als atheoi.

Der Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea zitiert dazu Hegesippus und behauptet, die Frau des kaiserlichen Vetters sei Christin gewesen. Domitian habe dann eine Judenverfolgung befohlen, die auch Christen getroffen habe, die als Juden denunziert worden seien. Darunter seien Enkel des Judas, eines Bruders Jesu, gewesen. Man habe sie dem Kaiser vorgeführt, er habe sie verhört und nach der Art ihres Glaubens gefragt. Als sie ihm erklärten, Christi Reich sei nicht weltlich, sondern himmlisch, habe er sie freigelassen und die Verfolgung der Christen eingestellt. – Die Darstellung lässt den Anlass der Verfolgung nicht erkennen. Diese war allenfalls zeitlich begrenzt und traf eher Juden als Christen. Dabei können wiederum lokale Spannungen zwischen ihnen eine Rolle gespielt haben.

Trajan (98–117)

Anfang des Jahres 112 bat der Statthalter der Provinz Bithynien in Kleinasien, Plinius, in einem Brief den Kaiser Trajan um Rat, wie er sich gegenüber den in offenbar größerer Anzahl von römischen Bürgern angeklagten Christen verhalten solle: Sei schon ihr Name (= ihr Christusbekenntnis) an sich strafbar, auch wenn kein weiteres Verbrechen vorliege, oder seien es die Verbrechen, die mit dem Namen zusammenhingen? Er habe sie verhört, mit der Todesstrafe bedroht und die, die sich weigerten, ihrem Glauben abzuschwören, hinrichten lassen. Viele anonym Angeklagte habe er Götter anbeten, dem Kaiserbild opfern und Christus lästern lassen. Wer das erfüllt habe, sei freigelassen worden: Denn zu all dem sollen sich wahre Christen nicht zwingen lassen. Viele hätten daraufhin erklärt, sie seien früher Christen gewesen, hätten sich aber nur am regelmäßigen Lobsingen beteiligt und einen Eid geschworen: nicht etwa zu einem Verbrechen, sondern zur Unterlassung von Diebstahl, Raub, Ehebruch, Treulosigkeit, Unterschlagung von anvertrautem Gut. Die Zehn Gebote und christliche Lasterkataloge klingen hier an (vgl. 1 Kor 5,11 EU1 Tim 1,9f EU u. a.).

Einstweilen bin ich mit denen, die mir als Christen angezeigt wurden, folgendermaßen verfahren: ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Die Geständigen habe ich unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und drittes Mal gefragt, ob sie Christen seien. Die dabei blieben, ließ ich abführen. Denn ich war der Überzeugung, was auch immer es sei, was sie damit eingestanden, dass auf alle Fälle ihr Eigensinn und ihre unbeugsame Halsstarrigkeit bestraft werden müsse. Es gab auch noch andere mit ähnlichem Wahn, die ich, weil sie römische Bürger waren, zur Überstellung nach Rom vorgemerkt habe. […] Diejenigen, die bestritten, Christen zu sein oder gewesen zu sein, glaubte ich freilassen zu müssen, da sie mir mit einer von mir vorgesprochenen Formel die Götter anriefen und vor Deinem Bild, das ich zu diesem Zwecke zusammen mit den Bildern der Götter herbeibringen ließ, mit Weihrauch und Wein opferten und außerdem Christus schmähten, Dinge, zu denen wirkliche Christen, wie man sagt, nicht gezwungen werden können. (Brief des Plinius an Trajan)

Plinius betrachtet vielmehr die Christen als bemitleidenswerte Menschen, welche nur wieder von ihrem Aberglauben abgebracht und wieder auf die Bahn der Vernunft geschickt werden müssten.

Nicht nur über die Städte, sondern auch über die Dörfer und das flache Land hat sich die Seuche dieses Aberglaubens verbreitet. Es scheint aber, dass es möglich ist, sie aufzuhalten und in die richtige Richtung zu lenken. Ziemlich sicher steht fest, dass die fast schon verödeten Tempel wieder besucht und die lange eingestellten feierlichen Opfer wieder aufgenommen werden, und dass das Opferfleisch, für das kaum noch ein Käufer gefunden wurde, überall wieder zum Verkauf angeboten wird. Daraus kann man leicht erkennen, welche Menge Menschen gebessert werden kann, wenn man die Gelegenheit zur Reue gibt.

Kaiser Trajan billigte sein Verfahren und ordnete an:

Sie aufspüren soll man nicht. Wenn sie angezeigt und überführt werden, müssen sie bestraft werden … Klageschriften ohne Autor dürfen bei keiner Straftat Platz haben. Denn das wäre ein sehr schlechtes Beispiel und passt nicht zu unserem Zeitalter.

Nur ein Christ, der sich öffentlich weigerte, den Göttern (und damit dem Kaiser) zu huldigen, galt als Verbrecher und Staatsfeind. Dabei bot die römische Rechtstradition einen gewissen Schutz vor Willkür: Christen sollten nicht gezielt ausfindig gemacht, anonyme Anzeigen nicht berücksichtigt werden. Nur wer nachweislich den Kaiserkult verweigerte, war wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt hinzurichten. Damit war aber auch klar: Im Fall einer Anklage konnten Christen ihr Leben durch Vollzug des Opfers, also Verrat ihres Glaubens retten, was zweifellos auch viele taten, zumal vielen frühen Christen die Ausschließlichkeit der Christusverehrung nicht bewusst war (weshalb sie von christlichen Autoren immer wieder aufs Neue auf diese Ausschließlichkeit hingewiesen wurden). Weiterhin konnte jeder römische Bürger die Christen anzeigen, wenn auch nun nicht mehr anonym; ob sie verfolgt wurden, hing daher nun nahezu ausschließlich von des „Volkes Stimme“ ab. Daher wurden Christen überall dort verfolgt, wo sie öffentlichen Unmut erregten. Nach dieser Regelung gingen die Behörden fortan vor, was insgesamt eine recht ungestörte Verbreitung des Christentums ermöglichte.

2. Jahrhundert

Von Domitian bis zu Commodus (180–192) gab es einige lokal begrenzte Verfolgungen von Christen mit unterschiedlicher Intensität. Allerdings wird auch hier die Historizität manch einer erst in späteren Quellen bezeugten Märtyrergeschichte von einigen Forschern in Frage gestellt. Eine davon war die blutige Hetzjagd auf Christen in der Hafenstadt Smyrna. In deren Verlauf wurde 155 auch der damalige Bischof Polykarp verbrannt. Eine Aufzeichnung seiner Gemeinde, das Zeugnis des Polykarp, erzählt von den Vorgängen und wurde damals unter Christen weit verbreitet.

Dieser älteste christliche Märtyrerbericht stilisiert den Bischof zu einem vorbildlichen Märtyrer. Schon bei seiner Festnahme habe er auf Flucht verzichtet und freudig ausgerufen: Des Herrn Wille geschehe! Er sei den Soldaten entgegen geeilt, habe sie als Gäste bewirtet und so die Durchführung ihres Auftrages verzögert. Er sei zum Statthalter gebracht worden, der ihn vergeblich zur Vernunft zu bringen versuchte: Bedenke dein Alter! Opfere dem Kaiser und lästere Christus! Auch Drohen mit Raubtieren habe nichts ausgerichtet. Darauf habe das Volk verlangt: Vor die Löwen! Vor die Löwen! Der Statthalter habe dies abgelehnt und stattdessen einen Scheiterhaufen in der Zirkusarena errichten lassen. Bis zuletzt habe der Brennende seinen Gott gelobt und diesem gedankt, dass er dieses Todes gewürdigt worden sei.

Diese Situation spiegeln auch die christlichen Schriften, die vor Ende des 1. Jahrhunderts entstanden: der 1. Petrusbrief, der 1. Clemensbrief (nicht Bestandteil des Neuen Testaments) und die Offenbarung des Johannes. Sie richteten sich unter anderem an Gemeinden wie Smyrna und Philippi, die schon Verfolgungen erdulden mussten. Angelehnt an die jüdische Märtyrertheologie und die Paulusschule, entwickeln sie Gedanken, die ihnen halfen, mit der ständigen Existenzgefährdung umzugehen. Sie deuten das Leid der Christen als unausweichliche Konsequenz ihres Glaubens: Der Weg der Erlösung in das Reich ihres Gottes führe notwendigerweise durch die tödliche Ablehnung der Welt (Apg 14,22 EU). Sie ist die gottferne Fremde (Phil 3,20 EU). Hinter ihren „Mächtigen und Gewaltigen“ stehen Satan und seine Dämonen, gegen die nur die „Waffenrüstung Gottes“ bestehen kann: Wahrheit, Gerechtigkeit, die Frohbotschaft des Friedens (Eph 6,10–17 EU) – im Vertrauen auf den, dessen Tod den Frieden zwischen Gott und Welt, Nahen und Fernen, Juden und Heiden gestiftet hat (Eph 2,13–16 EU). So mahnt 1 Petr 4,12 EU:

Meint nicht, euch widerfahre etwas Seltsames, sondern freut euch, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben möget. Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet für den Namen Christi …

Darum war aktiver Widerstand gegen staatliche Maßnahmen seitens der Christen sehr selten. Sie beantworteten Feindseligkeiten nicht mit Gewalt, sondern mit verstärkter Erinnerung an ihren Herrn und seinen schon errungenen Sieg über den Tod.

Einen weiteren Bericht dieser Art von 177 in der Regierungszeit Mark Aurels aus Lugdunum (Lyon) in Gallien zitiert Eusebius von Caesarea in seiner Kirchengeschichte. Auch unter ihm wurden angeblich viele Christen in die Arena geschickt und fanden dort den Tod. Allerdings wurden viele der anfangs seltenen christlichen Märtyrerlegenden erst später angefertigt oder vorhandene tendenziös verändert. Offizielle römische Quellen zur Christenpolitik findet man dagegen kaum. Das tatsächliche Ausmaß der Verfolgungen ist daher kaum zu bestimmen. Auch der Kaiser selbst wird dazu aufgerufen, die Lage noch einmal zu überprüfen:

„Wenn dies auf deinen Befehl geschieht, so soll es recht sein; denn ein gerechter Herrscher kann niemals eine ungerechte Entscheidung treffen, und wir nehmen gerne die Ehre eines solchen Todes auf uns; doch tragen wir dir diese eine Bitte vor, dass du erst, nachdem du die Urheber einer solchen Streitsucht kennengelernt hast, urteilst, ob sie Tod und Bestrafung verdienen oder Sicherheit und Ruhe.“

– Eusebius von CaesareaKirchengeschichte 4,26,6

Noch war das Christentum bloß eine von vielen Sekten im römischen Reich. In Abgrenzung von GnostikernMarcioniten und Montanisten vollzog es aber einen inneren Wandel und entwickelte eine hierarchische Organisationsform: das monarchische Bischofsamt. Ab etwa 180 wurde zudem der Kanon des Neuen Testaments festgelegt. Damit gewannen die Gemeinden innere und äußere Stabilität. Kirchliche Amtsträger hatten nun auch politisches Gewicht gegenüber den lokalen Behörden.

Sie wurden in der nichtchristlichen Bevölkerungsmehrheit zumeist abgelehnt und von der gebildeten Oberschicht zugleich tief verachtet. So äußerte Caecilius Natalis, ein Sprecher des Staatskults, um 200 über die Christen:

Es sind Leute, welche aus der untersten Hefe des Volkes unwissende und leichtgläubige Weiber sammeln, die ja schon wegen der Schwäche ihres Geschlechts leicht zu gewinnen sind und eine ruchlose Verschwörerbande bilden. Sie verbrüdern sich in nächtlichen Zusammenkünften, ein feiges und lichtscheues Volk, stumm in der Öffentlichkeit und nur in Winkeln gesprächig. Die Tempel verachten sie als Grabmäler, die Götter verfemen sie, über die Opfer lachen sie. Obwohl selbst bemitleidenswert, bemitleiden sie die Priester, verschmähen Ehrenstellen und Purpurkleider und können nicht einmal ihre Blöße decken!

Hiermit war der Vorwurf verbunden, die Christen können sich nur aus den unteren und vor allem ungebildeten Schichten rekrutieren, da alle gebildeteren Bürger nicht auf die christliche Scharlatanerie hereinfallen würden, sondern eher ihrer Vernunft nach weiterhin dem römischen Staatskult treu bleiben würden. Zudem werden die Fremdartigkeit der privaten Hausgottesdienste und ihre Ablehnung von Staatsämtern als Vorwürfe dargebracht. Da sie als undurchschaubar und staatsgefährdend galten und der pax deorum durch ihre Weigerung zur Teilnahme am Staatskult schadeten, wurden ihnen bald allerlei unerklärliche Unglücksfälle angelastet. So schrieb Tertullian auch um 200:

Wenn der Tiber bis in die Stadtmauern steigt, wenn der Nil nicht bis über die Feldfluren steigt, wenn die Witterung nicht umschlagen will, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot, wenn es eine Seuche gibt, sogleich wird das Geschrei gehört: Die Christen vor die Löwen!


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