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Freitag, 27. Juli 2018

Sprache und Bewusstsein



Intentionalität


Das Phänomen der Intentionalität ist, Searles eigener Auffassung zufolge, das Bindeglied zwischen seiner Sprachphilosophie und seiner Philosophie des Geistes. Der Begriff der Intentionalität wurde von Franz Brentano in die moderne philosophische Debatte eingeführt.
Brentano definierte „Intentionalität“ als das Merkmal der Gerichtetheit von mentalen Zuständen. Damit ist gemeint, dass sich mentale Zustände auf Sachverhalte in der Welt beziehen, so bezieht sich etwa der Gedanke, dass Napoleon ein Politiker war, auf den Sachverhalt, dass Napoleon ein Politiker war. Nur durch diese Form der Bezugnahme können Gedanken wahr oder falsch sein: Bezieht sich der Gedanke auf einen bestehenden Sachverhalt, so ist er wahr. Besteht der Sachverhalt nicht (etwa beim Gedanken, dass Napoleon ein Riese war), so ist der Gedanke falsch.

In seinem 1983 veröffentlichten Buch Intentionality (dt. 1987) rückt Searle, den Werken von Paul Grice und anderen folgend, das Phänomen der Intentionalität in das Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Auch in Sprechakten, so Searle, spielt Intentionalität eine zentrale Rolle, da Sprechhandlungen ohne die intentionale Bezugnahme der Kommunikationsteilnehmer keine Bedeutung haben könnten. Würden die Äußerungen der Sprecher durch einen Zufall im Universum ohne intentionalen Verursacher entstehen, so wären dies nur Schallwellen ohne Bedeutung. Intentionalität ist also eine notwendige Bedingung für Bedeutung und gleichzeitig nur bestimmten Lebewesen gegeben.
Die Debatte um Intentionalität ist in den letzten 20 Jahren insbesondere durch die Frage nach dem Reduktionismus dominiert worden. Reduktionisten vertreten die These, dass sich alle Phänomene letztlich durch eine naturwissenschaftliche Beschreibung erklären lassen. Die reduktionistische These schließt auch das Bewusstsein und die Intentionalität mit ein. Searle hat sich stark gegen reduktionistische Bemühungen gewandt: Zum einen hat er kritisiert, Computern oder Robotern Intentionalität zuzuschreiben. Derartige Ansprüche sind nach Searle grundsätzlich verfehlt. Zum anderen versucht Searle, intentionale Zustände so eng an das Erleben (Qualia) zu binden, dass sich die vermutete Irreduzibilität von Erlebniszuständen auf intentionale Zustände überträgt.[12]

Künstliche Intelligenz

Das korrekte Verständnis des Phänomens der Intentionalität hat Auswirkungen auf die Grundlagentheorie der künstlichen Intelligenz (KI). Der Computerpionier Alan Turing formulierte 1950 den Turing-Test als Antwort auf die Frage, ob Maschinen denken können. Laut Turing kann ein Computer genau dann denken, wenn er in einem schriftlichen Gespräch (einem Chat) einen Menschen darüber täuschen kann, dass er kein Mensch ist. Laut Searle reicht dieser Turing-Test nicht aus, um einem Computer Gedanken zusprechen zu können. Ein solcher Computer würde sich laut Searle nur einem Menschen entsprechend verhalten, selbst jedoch nichts meinen oder denken. Für derartige mentale Prozesse ist laut Searle Intentionalität notwendig, die über das Verhalten hinausgeht. Um diese kritische Perspektive zu stützen, hat Searle ein Argument entwickelt, das die Verfehltheit des Turing-Tests beweisen soll.[13] Dieses unter dem Namen chinesisches Zimmer bekanntgewordene Gedankenexperiment beginnt mit der Annahme einer Bibliothek. In dieser Bibliothek sitzt eine Person, die Zettel mit chinesischen Schriftzeichen gereicht bekommt. Die Person versteht kein Chinesisch. Allerdings stehen in den Büchern der Bibliothek Transformationsregeln: Die Person sucht in den Büchern nach der Zeichenfolge auf dem Zettel und schreibt die neue, im Buch angegebene Zeichenfolge auf einen neuen Zettel auf. Diesen gibt sie nun aus der Bibliothek heraus. Der Witz an dem Gedankenexperiment ist, dass in den Büchern zu den eingehenden chinesischen Sätzen passende, andere chinesische Sätze zugeordnet sind. Für einen chinesischen Beobachter außerhalb der Bibliothek entsteht so der Eindruck einer richtigen Kommunikation: Auf Zetteln, die in die Bibliothek gereicht werden, stehen korrekte chinesische Sätze, etwa Fragen. Auf den Zetteln, die aus der Bibliothek gereicht werden, stehen passende chinesische Sätze, etwa die Antworten auf die Fragen. Das chinesische Zimmer würde daher den Turing-Test bestehen.
Dennoch versteht niemand in der Bibliothek Chinesisch, weder die Person, noch die Bibliothek. Auch Bibliothek und Person zusammen verstehen Searle zufolge kein Chinesisch. Nach Searle zeigt dies, dass das Bestehen des Turing-Tests nicht ausreicht, um Sprache zu verstehen. Ein Computer mache im Prinzip nichts anderes als das chinesische Zimmer: Er transformiere Zeichenfolgen nach gegebenen, rein syntaktischen Regeln in neue Zeichenfolgen, ohne ihre Semantik zu verstehen. Doch wenn dies im Falle des chinesischen Zimmers nicht hinreichend für Gedanken sei, so sei auch nicht absehbar, wie jemals ein denkender Computer entstehen sollte.
Searle zieht aus seinem Gedankenexperiment die Konsequenz, dass zwischen einer schwachen und einer starken KI unterschieden werden müsse. Die schwache KI versucht menschliches Verhalten zu simulieren und Probleme zu lösen, die von Menschen nur mittels Intelligenz zu bewältigen sind. Ein solches Projekt ist nach Searle vollkommen legitim. Die starke KI möchte hingegen denkende Computer bauen. Vertreter der künstlichen Intelligenz haben auf dieses Argument, wenn überhaupt, verschieden reagiert. Manche Forscher beschränken sich auf die schwache KI. Andere weisen Searles Gedankenexperiment zurück. Manche erklären etwa, dass das chinesische Zimmer als Gesamtsystem tatsächlich Chinesisch verstehen würde. Gegenläufige Intuition beruhe darauf, dass man sich die Komplexität eines derartigen Systems nicht klarmache.

Theorie des Bewusstseins

Infolge seiner Arbeiten zur Intentionalität und zur künstlichen Intelligenz hat sich Searle auch zunehmend um eine allgemeine Theorie des Bewusstseins bemüht. Zum einen sieht er sich in der Tradition des Naturalismus und behauptet, dass das Bewusstsein als ein ganz normales, biologisches Phänomen zu betrachten sei. Zugleich ist Searle ein scharfer Kritiker des Reduktionismus und erklärt, dass der subjektiven Erlebnisperspektive nie durch eine naturwissenschaftliche Beschreibung beizukommen sei. Aufgrund seiner naturalistischen Überzeugungen möchte sich Searle von dualistischen Philosophen absetzen, die im Bewusstsein ein immaterielles Phänomen sehen. Seine antireduktionistische Ausrichtung verbietet jedoch gleichzeitig eine Identifikation von mentalen Zuständen mit neuronalen Prozessen. Searle versucht diesem Dilemma zu entgehen, indem er erklärt, dass mentale Zustände von biologischen Zuständen verursacht seien.
Nun ist die kausale Interaktion von Geist und Gehirn jedoch ein typisches Element dualistischer Theorien, schon René Descartes behauptete, dass die biologischen Prozesse an einer bestimmten Stelle im Gehirn (Zirbeldrüse) auf den Geist einwirken. Searle möchte sich von derartigen Theorien absetzen und erklärt, dass man im Falle des Bewusstseins von einer anderen Form der Verursachung auszugehen habe. Bewusstsein sei eine höherstufige Eigenschaft komplexer biologischer Systeme und keine immaterielle Entität. Gleichzeitig weist Searle jedoch epiphänomenalistische Auffassungen scharf zurück und bezeichnet sich als Vertreter des naiven Realismus.

Eine derartige Position ist attraktiv, da sie die Probleme von Dualismus und Physikalismus zu umgehen verspricht. Trotz dieser Attraktivität wird oft eingewandt, dass sich Searles biologischer Naturalismus nicht mit seinem Antireduktionismus kohärent zusammenbringen lässt. Wenn Bewusstsein – wie Searle behauptet – ein unproblematisches biologisches Phänomen ist, dann sei unverständlich, wie das Bewusstsein eine subjektive Komponente haben kann, die durch die Biologie nicht erfassbar ist. 

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