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Donnerstag, 28. Januar 2016

Michel de Montaigne

Montaignes Philosophie

Zusammen mit Francisco Sanches, einem siebzehn Jahre jüngeren entfernten Cousin, der ebenfalls am Collège de Guyenne studiert hatte, gilt Montaigne neben seinem Freund und Schüler Pierre Charron als einer der Hauptvertreter der Skepsis in der späten Renaissance.

Als Hauptquelle für Montaignes Skeptizismus gilt die Schrift „Apologie de Raimond Sebond“, die in den Jahren 1575 bis 1580 entstanden ist. (Essais II 12) Die „Theologia naturalis“ des Raymund von Sabunde hatte Montaigne 1569 im Auftrag seines Vaters ins Französische übersetzt. Zudem war er mit den Hauptschriften der antiken Skeptiker Sextus Empiricus und über diesen mit Pyrrhon von Elis gut vertraut. Montaigne verstand die Schrift Sabundes als eine Zusammenfassung der theologischen Position von Thomas von Aquin. Sein Essai war damit auch eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Theologie. Montaigne betonte, dass dem Menschen eine natürliche Gotteserkenntnis versagt bleiben muss. Beweisgründe für eine natürliche Theologie können nicht überzeugen. Daraus folgt aber auch, dass ein Atheismus nicht mit Vernunftgründen verteidigt werden kann. Ziel Montaignes ist es „Hochmut und Stolz des Menschen zuschanden zu machen und zu zertreten.“

Für Montaigne ist der Mensch nicht das Zentrum der Naturordnung. Im Gegenteil: Viele Tiere haben gegenüber dem Menschen eine Reihe von Vorteilen. „Das unglückseligste und gebrechlichste aller Geschöpfe ist der Mensch, gleichzeitig jedoch das hochmütigste.“ Hinzu kommt, dass dem Mensch in seinem Drang nach Wissen und Weisheit selbst im christlichen Sinn zum Sündenfall verführt ist. Unter Berufung auf die Bibel (Kol. 2, 8 und 1. Kor. 1) forderte Montaigne einen bewussten Wissensverzicht.

Aus der pyrrhonischen Skepsis leitete Montaigne vor allem die Kritik an der menschlichen Erkenntnisfähigkeit ab. Wahrheit kann der Mensch mit Gewissheit nicht erkennen. Dies liegt vor allem an der Unzuverlässigkeit der Sinne. In gleicher Weise gibt es kein allgemein gültiges Kriterium für rationale Urteile. Durch die skeptische Betrachtung des Wesens der uns umgebenden Dinge, der uns umgebenden Menschen und von uns selbst, werden unsere Vorstellungen befreit von deren Verstellungen. So gelangen unsere Vorstellungen zu einer Unabhängigkeit des Urteils. Deshalb sind die eigenen Erfahrungen nicht nur der beste Weg zur Erkenntnis, sondern auch das eigene Selbst ist das geeignetste Objekt zur Erlangung dieser Unabhängigkeit. Die Introspektion, also die Beobachtung unseres Selbst, lässt uns über die Entdeckung des individuellen Wesens auch das der anderen Menschen verstehen.

Montaigne verstand seinen Skeptizismus jedoch nicht als destruktiv, sondern beschrieb bereits die Absichten Pyrrhons als eine positive Grundeinstellung. „Er [Pyrrhon] wollte sich keineswegs zum fühllosen Stein oder Klotz machen, sondern zu einem lebendigen Menschen, der hin und her überlegt und nachdenkt, der sämtliche natürlichen Annehmlichkeiten und Freuden genießt, der alle seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten betätigt und sich ihrer auf rechtschaffene und wohlgeordnete Weise bedient. Dem eingebildeten und wahnhaften, vom Menschen zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorrecht aber, die Wahrheit festzulegen, zu reglementieren und zu schulmeistern, hat Pyrrhon ehrlichen Herzens entsagt.“ Gerade in dieser Haltung sieht etwa Günter Abel einen Grundstein für ein modernes Toleranzdenken. Die skeptische Haltung ist Grundlage, um jede Form von Dogmatismus und Fanatismus kritisch abzulehnen und eine anspruchsvolle Ethik zu entwickeln.

Für Montaigne verfolge seine „skeptizistische Methode“ das Ziel, den menschlichen Geist zu bereinigen. Er verstand es als ein Mittel, dass dem menschlichen Geist die absolute Gewissheiten über das Erkennbare nähme und ihn dadurch für die Gnade der göttlichen Offenbarung öffnen würde.

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