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Freitag, 29. Januar 2021

Vaterunser aus dem 13. Jahrhundert



Vater unser als Text von Rinmar von Zweter aus dem 13. Jahrhundert

Got vater unser, da du bist in dem himelriche gewaltic alles des dir ist, geheiliget so werde din nam, zuo müeze uns komen das riche din. Din wille werde dem gelich hie uf der erde als in den himeln, das gewer unsich, nu gip uns unser tegelich brot und swes wir dar nach dürftic sin. Vergip uns allen sament unser schulde, also du will, das wir durch din hulde vergeben, der wir ie genamen dekeinen schaden, swie groz er si: vor sünden kor so mach uns vri und loese und ouch von allem übele. amen

Das Vaterunser ist in zwei verschiedenen Versionen überliefert: Mt 6,9–13 EU und Lk 11,2–4 EU. Beide Fassungen beginnen mit der Anrede Gottes als Vater und lassen darauf zwei unterschiedliche Reihen folgen: Zuerst Du-Bitten „(Dein)“, bezogen auf Gott, und zwar auf seinen Namen und seine Herrschaft, sodann Wir-Bitten „(Unser)“, als Bitten wegen der Bedürfnisse der Nachfolger Jesu Christi, leibliche (Brot) und geistliche (Vergebung, Versuchung). Damit sind die fünf bei Lukas enthaltenen Bitten genannt, bei Matthäus kommen noch zwei weitere dazu.

Lukas 11

Das Vaterunser steht außerhalb der Feldrede (Lk 6,20–49 EU) und anderer lukanischer Parallelen zur Bergpredigt. Es ist als Antwort Jesu auf die Anfrage eines Jüngers überliefert: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung.“ (Lk 11,1–4 EU). Davor wurde über Jesu Besuch bei den Schwestern Martha und Maria berichtet (Lk 10,38–42 EU). Dort wurde das Hören auf die Lehre Jesu als „das gute Teil“, das dem, der es erwählt, nicht weggenommen werden soll, der vielen „Sorge und Mühe“ gegenübergestellt, mit der Martha Jesus zu dienen sich bemüht. Demgemäß erscheint das Vaterunser als jener bessere Gottesdienst, den die Hörer der Lehre Jesu von ihm lernen können.

Wegen des situativen Rahmens und der Erwähnung der Johannesjünger wird die Lukasversion meist für ursprünglicher gehalten.

Matthäus 6

Die bekanntere, dem heutigen liturgischen Gebrauch zugrundeliegende Version richtet sich nach dem Text des Matthäusevangeliums (Mt 6,9–13 EU). Dort steht das Vaterunser in der Mitte der Bergpredigt, die als Lehre Jesu seinem heilvollen Handeln vorangestellt ist (Mt 5,1f EU). Die Formulierung des Vaterunsers lässt Jesu Lehre vom Beten (Mt 6,5–15 EU) konkret werden. Das Beten der Nachfolger soll sich von einer öffentlichen, wortreichen, auf Außenwirkung bedachten Art des Betens bei Pharisäern und Heiden unterscheiden. Seine Grundlage ist die allem Beten vorlaufende Zusage, „Euer Vater weiß, was ihr braucht, ehe ihr darum bittet.“ (Mt 6,8 EU). Darauf folgt die Aufforderung: „Darum sollt ihr so beten“ (Mt 6,9a EU).

Bei Matthäus ist die Anrede Gottes feierlich ausgestaltet: Nicht nur „Vater“ (wie bei Lukas), sondern „Unser Vater in den Himmeln“. Auch die beiden Bittenreihen werden ergänzt: Die erste Reihe durch den Hinweis „Dein Wille geschehe“, die zweite Reihe durch die Bitte „sondern erlöse uns von dem Übel“.

Nur bei Matthäus steht ein Kommentar Jesu, eine der Bitten betreffend, nämlich die Bitte um Vergebung: Der Kommentar bezieht sich auf die Aussage des Beters, seinerseits anderen Menschen vergeben zu haben. Jesus erklärt dieses zwischenmenschliche Vergeben für äußerst wichtig; er sieht es als Voraussetzung dafür, von Gott Vergebung zu empfangen (Mt 6,14 EU). Dieser Kommentar ist übrigens halb so lang wie der Text des Vaterunsers.

Nur die matthäische Version beschließt die Bittenreihe mit einer Doxologie („rühmendes Wort“), die auf die Anfangsbitte um das Kommen des Reiches Gottes zurückkommt und die vorausgegangene Zusage Gottes im Munde Jesu gleichsam appellativ an Gott zurückgibt: „Denn dein ist das Reich […]“ Dieser Schluss ist allerdings in den ältesten Handschriften nicht überliefert, fehlte somit vermutlich im ursprünglichen Matthäusevangelium.

Griechischer Urtext und lateinischer Text

GriechischLateinisch

Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς·
ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου·
ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου·
γενηθήτω τὸ θέλημά σου,
ὡς ἐν οὐρανῷ καὶ ἐπὶ γῆς·
τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον·
καὶ ἄφες ἡμῖν τὰ ὀφειλήματα ἡμῶν,
ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφήκαμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν·
καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν,
ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ.

(Griechische Fassung nach dem Matthäusevangelium)

Pater noster, qui es in caelis:
sanctificetur nomen tuum.
Adveniat regnum tuum.
Fiat voluntas tua,
sicut in caelo, et in terra.
Panem nostrum supersubstantialem (cotidianum) da nobis hodie.
Et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris.
Et ne nos inducas in tentationem,
sed libera nos a malo.
Amen.

(Lateinische Fassung nach der Vulgata-Übersetzung)


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