Ein Erfahrungsbericht aus dem Infobrief des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes.
Gibt es in der Islamischen Republik Iran Menschen, die sich zum Christentum bekehren? Natürlich. Auch im Iran gibt es Bibeln, die unter der Hand verteilt werden, viele Menschen sind vom intoleranten Mullah-Regime abgestoßen.
Kommt dann noch eine existenzielle Krise dazu, dann „spricht Jesus“ auch im Iran „direkt zu mir“. Zudem gibt es Hauskirchen, in denen sich Gleichgesinnte treffen und nach dem Vorbild von Basisgemeinden überlegen, was das Wort Gottes für sie in ihrem Alltag bedeutet. Alles ist sehr einfach, sicherlich mit nichts von dem vergleichbar, was in Deutschland als christlich gilt. Hin und wieder fl iegen solche Hauskirchen auf, denn die Religionspolizei schläft nicht.
Wer nicht verhaftet wird, entzieht sich derselben durch Flucht. So auch Ali, der eigentlich anders heißt. Er kam im Jahr 2016 nach einer langen Odyssee durch mehrere Staaten in Deutschland an. Im ersten Aufnahmelager waren evangelikale Christen aktiv und fragten, ob er die Taufe wollte. Er wusste, dass die Taufe wichtig ist, „um ganz zu Jesus zu gehören“. Deshalb ging er mit und wurde getauft. Im zweiten Aufnahmelager suchte er sich die nächstgelegene Kirche, dieses Mal eine protestantische, und feierte dort Weihnachten. Als die Behörden ihn in sein Erstaufnahmeland zurückschieben wollten, kam er in ein katholisches Kirchenasyl.
Eine derartig „bunte“ Geschichte weckte Misstrauen bei den Behörden. Das Bundesamt erkannte immerhin an, dass er ein glaubhaftes Gebetsleben führt – meinte aber, dass er dies auch im Iran führen könne, indem er sich in seinem Zimmer einschließt. Eine Kirche brauche es dazu nicht. Das Verwaltungsgericht hingegen bezweifelte auch die Echtheit des Gebetslebens und Glaubens – weil er, unter anderem, den Unterschied zwischen der katholischen Eucharistie und dem protestantischen Abendmahl nicht schlüssig erklären konnte. Ihm wurde unterstellt, dass er im Iran lediglich deshalb zum Christentum konvertiert sei, um in Deutschland Asyl zu erhalten.
Ali ist ein einfacher Mensch. Ihm eine derart gedrechselte Kalkulation zu unterstellen zeugt von keinerlei Menschenkenntnis. Ali kennt seine Bibel, er betet regelmäßig, er liebt die Person Jesu. Paulus ist ihm zu hoch, von konfessioneller Korrektheit versteht er wenig. Für ihn ist wichtig, ob die Menschen nett sind und einander helfen – kurzum: ob sie als Christen leben. Ali ist für mich ein mustergültiger Christ. Er lebt so, wie wir alle leben sollten und wie der Papst in seiner Weihnachtsansprache ermahnt hat: Eine gesunde Glaubenshaltung ist „jene, sich von den Herausforderungen der heutigen Zeit befragen zu lassen.“ Eine Antwort aus dem Glauben auf die Herausforderungen unserer Zeit ist wichtiger als konfessionelles Wissen und die Praxis des „richtigen“ Gebets. Insofern ist Ali für mich auch ein vorbildlicher Christ, der mir immer wieder vor Augen führt, worauf es eigentlich ankommt. / Ein Begleiter
Persönlich kann ich mich an eine christliche Familie aus dem Iran erinnern, die im Schwäbischen eine Heimat gefunden hat. Die Angst vor Verfolgung und Tod hat tiefe Spuren in den Menschen hinterlassen. Mehr noch als diese Erfahrungen war die ständige Angst um die Angehörigen die im Iran geblieben sind und das Heimweh, dass sie fast aufgefressen hat. Leider haben sie auch hier nur halbherzige Hilfe aus kirchlichen Kreisen gefunden. Die Freude war nicht immer sehr groß, zeigte sie doch in welche Abhängigkeit sie geraden sind. Was sie sich gewünscht haben war ein offenes Miteinander voller Neugier und Vertrauen, ohne diese fragenden Blicke, die man gerade in Deutschland in vielen Gesichtern erkennen kann.
Der Jesuit Refugee Service JRS ist der Flüchtlingsdienst des Jesuitenordens. Seit 1980 steht er an der Seite geflüchteter Menschen, hört ihnen zu und setzt sich mit ihnen gemeinsam für ihre Rechte ein - unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Weltweit arbeitet der JRS heute in mehr als 50 Ländern. In Deutschland ist der Jesuiten-Flüchtlingsdienst seit 1995 tätig, seine Schwerpunkte sind Seelsorge, Rechtshilfe und politische Fürsprache. Der JRS berät und unterstützt Menschen in unsicheren Aufenthaltssituationen in Berlin, Bayern und Brandenburg. In Essen unterhält er eine Wohngemeinschaft von Geflüchteten und Jesuiten.
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