Konstantinische Wende
Nach dem Tod des Galerius brachen Kämpfe um seine Nachfolge aus. Nach einer von Eusebius berichteten Legende soll Konstantin der Große die entscheidende Schlacht an der Milvischen Brücke 312 gewonnen haben, nachdem er einige Zeit zuvor am Himmel ein Flammenkreuz, nach Laktanz das Chi-Rho, gesehen hatte, dazu Zeichen mit der Bedeutung:
Es war üblich, vor einer Schlacht nach Götterzeichen zu schauen, um sich so der Unterstützung des jeweils stärksten Gottes zu sichern, daher findet sich hier effektiv mit einem christlichen Symbol in einem Prozess des römischen Staatskults eine Integration des Christentums in jenen. Das Kreuzsymbol – für Römer die äußerste unehrenhafte Strafe für Sklaven, Aufständische und Verbrecher – wurde also von Christen nun selbst zum Siegeszeichen des römischen Kaiserreichs umgedeutet (Christusmonogramm). Dabei hatte es für die Urchristen die Herrschaft des Gottessohns über alle weltlichen Machthaber ausgedrückt (Off 17,14): Viele Nachfolger Jesu waren wie er für diesen Glauben gekreuzigt worden.
Konstantin wurde offenbar nicht schlagartig Christ, sondern hing zunächst ebenso dem Sonnengott Sol invictus an. Dieser Gott hatte in seinen Augen 312 seine Macht bewiesen. Er setzte zudem wohl von vornherein auf die Duldung der Kirche, damit diese seine Alleinherrschaft als zusätzliches Machtinstrument stützen würde. 313 erlaubten er und Licinius in der Mailänder Vereinbarung (fälschlich oft als Toleranzedikt bezeichnet, denn ein solches reichsweites Edikt wurde 313 keineswegs erlassen) jedem römischen Bürger die freie Wahl seiner Religion (also nicht nur den Christen). Die berühmte Passage lautete:
- Wir geben den Christen und anderen die politische Ermächtigung, derjenigen Religion zu folgen, die sie wollen.
Der Kaiserkult als Zwang wurde abgeschafft. Das Christentum wurde damit offiziell gleichberechtigt zu den römischen Staatskulten. Seine künftige Vorrangstellung deutete sich schon an. Ferner gab Konstantin der Kirche ihr Eigentum zurück und gewährte allen Bischöfen Rechte und Ehren, die bis dahin nur Senatoren und paganen Priestern zugestanden hatten.
Die sogenannte „konstantinische Wende“ erlebten die Christen als Durchbruch und große Befreiung. Von nun an konnte es aufgrund der Privilegierung des Christentums durch Konstantin durchaus vorteilhaft für den sozialen Aufstieg sein, sich zum christlichen Glauben zu bekennen. In der Folgezeit wurden viele der höheren Staatsämter, von denen die Gestaltung des öffentlichen Lebens abhing, mit Christen besetzt, so dass viele reiche und bis dahin mächtige Personen sich dazu gezwungen sahen, zum Christentum überzugehen, um überhaupt nur ihre Macht erhalten zu können.
321 machte Konstantin den Sonntag, an dem Christen ihren Gottesdienst feierten, zum gesetzlichen Ruhetag; da der Tag aber – wie schon der Name sagt – auch dem Sonnengott geweiht war, kann man diese Maßnahme nicht unbedingt als pro-christlich auffassen (auch wenn die Christen dies taten). Überhaupt ist umstritten, wie stark das Christentum Konstantins Gesetzgebung beeinflusste. 324 wurde er unbeschränkter Alleinherrscher und versuchte nun, die gescheiterten Staatsreformen seiner Vorgänger durchzuführen: nicht mehr gegen die Kirche, sondern mit ihrer Hilfe.
Das Christentum sollte offenbar zunehmend die Funktionen der alten Kulte übernehmen und göttliche Unterstützung für das Imperium Romanum bewirken. Nur wenn die Kirche organisatorisch und theologisch geeint war, konnte sie die Staatseinheit stützen: Dazu griff der Kaiser – als Pontifex Maximus – nun auch aktiv in ihre inneren Angelegenheiten ein. 325 berief er das erste ökumenische Konzil von Nicäa ein. Die Bischöfe reisten auf Staatskosten an; der Kaiser selbst leitete die Sitzungen und setzte dort rein theologische Kompromissformeln wie das homoousios durch, um den innerkirchlichen Streit um die Gottessohnschaft Jesu zu lösen. Er behandelte das Konzil also wie ein kaiserliches Schiedsgericht. Dahinter standen primär politische Motive, aber wohl auch persönliche Überzeugung: Denn 337 auf dem Sterbebett ließ Konstantin sich noch taufen.
Entwicklung zur Staatsreligion
Konstantin wurde nach seinem Tod unter die Staatsgötter aufgenommen und kann daher kaum als „Christ“ im engeren Sinne, sondern eher als „Anhänger des Christengottes“ bezeichnet werden. Er hatte aber seine Söhne christlich erziehen lassen: Unter diesen führte besonders Constantius II. (337–361) eine entschlossene Christianisierungspolitik durch. Er erließ ein erstes Verbot heidnischer Riten, das er aber nach seinem Rombesuch 357 wieder aufhob.
Als das Römische Reich „christlich“ wurde, begann die Kirche noch mehr, sich den Machtinteressen des Reichs anzupassen. Das christliche Kreuzsymbol wurde zum Hoheitszeichen auf Heeresstandarten und Münzen. Krieg wurde theologisch gerechtfertigt, sofern er der Sicherheit des Reiches diente. Bischöfe segneten die gleichen Waffen, mit denen Christen früher ermordet worden waren. Seit etwa 400 wurden auch Zwangsmaßnahmen zur Christianisierung theologisch gerechtfertigt: Augustinus von Hippo begründete dies im Donatismusstreit damit, wie kleine Kinder müssten auch die „Schismatiker“ zu ihrem Glück gezwungen werden.
Nicht wenige Kleriker erlagen nun den Verlockungen, die die neu gewonnene Stellung mit sich brachte. Große und reich ausgestattete Kirchen wurden gebaut; für die Liturgie wurde das kaiserliche Hofzeremoniell Vorbild. Der höhere Klerus wurde durch Schenkungen reich. Viele Christen kritisierten diese Veränderungen, doch waren sie nicht aufzuhalten. Als Gegenbewegung entwickelte sich von Ägypten aus das Mönchtum. Die römischen Staatstempel dagegen zerfielen langsam.
Bereits Konstantin hatte sehr vereinzelt Maßnahmen gegen „heidnische“ Kulte verfügt; unter Constantius II. kam es bereits zu Stürmen auf heidnische Tempel. Constantius II. versuchte vergeblich, den Arianismus (in der homöischen Ausprägung) für die Kirche verbindlich zu machen, er griff also weiter in dogmatische Fragen ein (siehe dazu auch die Religionspolitik Constantius’ II.).
Unter Kaiser Julian Apostata (361–363) kam es kurzzeitig zu dem Versuch, die nichtchristlichen Kulte wiederzubeleben und das Christentum zurückzudrängen. Nach dem Tod Julians folgte eine Duldungsphase der traditionellen Götterkulte durch die christlichen Kaiser. Das Verbot aller nichtchristlichen Kulte, das heißt der öffentlichen Opferhandlungen, unter Theodosius I. machte dann 380 bzw. 392 aber der früher vorherrschenden Religionsfreiheit ein (formales) Ende (Dreikaiseredikt „Cunctos populos“):
- … Die übrigen, die wir für wahrhaft toll und wahnsinnig erklären, haben die Schande ketzerischer Lehre zu tragen. Auch dürfen ihre Versammlungsstätten nicht als Kirchen bezeichnet werden. Endlich soll sie vorab die göttliche Vergeltung, dann aber auch unsere Strafgerechtigkeit ereilen, die uns durch himmlisches Urteil übertragen worden ist.
Ferner erließ Theodosius 383 nach einem gescheiterten Religionsgespräch ein Häretikergesetz, das Arianer, Donatisten und Manichäer mit Verbannung bedrohte. Damit war das Christentum in seiner „orthodoxen“ Gestalt als Reichskirche Staatsreligion geworden.
Allerdings wurden viele scharfe Verlautbarungen des Theodosius, der selbst wohl kein religiöser Eiferer war, in der Praxis eher milde oder gar nicht umgesetzt. Der alte römische Staatskult und die anderen polytheistischen Religionen konnten sich daher noch bis ins 6., in Ostrom teils sogar bis ins 7. Jahrhundert halten. Sie gerieten aber immer mehr in die Defensive, verloren immer mehr Anhänger und büßten zunehmend an innerer Kraft ein – sie hinterließen durch die massenhafte Konversion ehemaliger Anhänger aber umgekehrt deutliche Spuren im Christentum, das zwischen 300 und 600 einen massiven Wandel erlebte.
Auszug aus Wikipedia
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